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Quartalslied

EG 165 Gott ist gegenwärtig

Ökumenisch

„Gegenwart ist eine Bezeichnung für ein nicht genau bestimmtes Zeitintervall zwischen vergangener Zeit (Vergangenheit) und kommender, künftiger Zeit (Zukunft). Als Synonyme dafür werden auch die Begriffe heute und jetzt verwendet. Verschiedentlich wird die Gegenwart auch mit Zeitlosigkeit gleichgesetzt. Gegenwart ist die Zeit, in der alle Ereignisse stattfinden.“ Treffender als Wikipedia könnte man das ja nicht sagen. 

Gegenwart ist die Zeit, in der alle Ereignisse stattfinden. Gott ist gegenwärtig, er findet immer statt. Zeitlos, von David über Jesus und Paulus und Bach und Tersteegen - bis zu dir und mir heute! 

Nichts anderes sagt der Liederdichter mit seinem Liedtext – nur ein bisschen schwulstiger, mit der Sprache der Mystiker, der von Gott beseelt Glaubenden. Mit der Sprache der Ergriffenen. Cherubine und Seraphine, sie dienen Gott, das können wir in der Offenbarung nachlesen, das können wir auf vielen Bildern und Gemälden sehen, wie sich das manche Menschen vorstellen. Aber so richtig hat ihnen noch nie jemand aus der hiesigen Welt zugeschaut. Wir dürfen diese Bilder in uns aufnehmen, wir dürfen und können Gott in uns wirken lassen. Das Lied kann es bewirken. 

 Die Textstellen sind gewöhnungsbedürftig in unserer heutigen Sprache. Gott hat zu Mose gesagt, dass nie jemand Gott schauen kann, und hat ihn in einer Felsennische verborgen, um ihn zu schützen, als ER vorüberging. Deshalb verwendet der Liederdichter die Formulierung „Augen niederschlagen“

„Lass mich einfältig werden, …“ ja muss ich denn bescheuert sein, um an Gott zu glauben? Nein, Jesus sagt in den Seligpreisungen der Bergpredigt, dass man „geistlich arm“ sein soll, nichts dazumachen, nichts weglassen, sein wie die Kindlein, um Gottes Handeln und die Ansätze Jesus ohne Hintergedanken und Interpretationen zu verstehen. Darauf bezieht sich der Dichter. Auch muss man nicht freudlos und entsagend leben, man darf sich freuen, wenn sein Fußballverein wieder aufsteigt. Alber ohne Eitelkeit und Häme, den anderen gegenüber.  

Die Melodie hat Joachim Neander (1650-1680) 1680 in seinen „Bundesliedern und Dankpsalmen“ zu seinem Lied „Wunderbarer König“ (EG 327) veröffentlicht. Neander, in manchem ein Vorgänger Tersteegens – Theologe ohne Ordination, Gemeinschaftsstifter abseits der verfassten Kirche, Poet erbaulicher Lieder – schafft als musikalischer Laie die melodische Ästhetik, die der Einfachheit seiner und später Tersteegens geistlicher Botschaft entspricht. Einfachheit, Innerlichkeit und Emphase lösen als Gestaltungsprinzipien den melodischen und rhythmischen Reichtum ab, etwa bei Johann Crüger oder Johann Georg Ebeling, die Paul Gerhardts Liedern ihre Melodien schenkten. 

Die Melodie soll nach innen führen, die Seele sammeln, das Gefühl für Gott bereiten. Sie bedient sich dafür eines extremen Minimalismus, nämlich einfacher Tonwiederholungen in metrischer Gleichmäßigkeit, jeweils um eine Tonleiterstufe nach unten gesetzt. Begonnen wird nicht auf den „starken“ Stufen des Grundtons oder der Quinte, sondern auf der weichen Terz der Grundtonart F-Dur. Die Tonleiter schreitet bis zur Unterquarte voran, dann wird sie in einem weichen Bogen wieder zum Grundton geführt (in einem älteren Melodieentwurf stand hier ein energievollerer Sextsprung). Emotional besonders wirkungsstark erscheinen die beiden einzigen nach oben gewandten Tonschritte im Abgesang, rhythmisch hervorgehoben durch die verlängerten Notenwerte, im Versmaß durch die lediglich drei Silben zählende Zeilenlänge. Die beiden letzten Zeilen nehmen die Abwärtsbewegung der ersten Zeilen auf, ergänzt durch die abschließende Wirkung des Quintraums. 

Eine interessante Frage ist die nach dem richtigen Singtempo des Chorals. Die ursprünglich von Neander notierte Fassung zeigt Achtel statt Viertel, was auf ein höheres Singtempo schließen ließe. Sie ist allerdings deutlich für eine Solostimme gesetzt, u.a. sichtbar daran, dass die letzte Zeile in einem Oktav-Echo zur vorletzten steht (Ursprungstonart ist C-Dur). Mit der Umwandlung in einen Gemeindechoral dürfte sich neben der melodischen Form auch das Singtempo angepasst haben. Als grobe Regel kann gelten: Eine Zeile wird auf einen Atem gesungen, auch die dreisilbigen im Abgesang. 

Aus heutiger Perspektive sticht der ästhetische Richtungswechsel ins Auge, der nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges einsetzt und mit dem Aufkommen des Pietismus zusammenfällt. Neander wie Tersteegen brechen mit den Konventionen ihrer Zeit und wagen neue Formen. Sie stießen damit eine Entwicklung an, die bis heute auch Schindluder mit Kitsch bis hin zu geistlicher und ästhetischer Manipulation treibt. Muss ihnen das angelastet werden? Wir singen ihre Lieder und genießen heute, wie sich im Widerstreit der Zeitgeister auch eine wunderbare Ergänzung findet. 

„Herr, komm in mir wohnen,…“ Die Tür zu Gott ist innen, wir können Gott zu uns hereinkommen lassen, manche drücken es wie Tersteegen aus, manche lassen es schlichter angehen. Die Wirkung ist die gleiche:
Gottes Liebe, Gottes Geist ist wie die Sonne, sie sind ist immer und überall da. Überall wo ich als Glaubende, als Glaubender bin, ist auch Gott, wenn wir, sie, du ich das zulassen. Darum dürfen wir so singen und beten.
Denn Gott ist gegenwärtig – immer und überall.   

Samuel Dobernecker und Ulrich Bauer

 

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